EMDR

EMDR heißt "Eye Movement Desensitation and Reprocessing", was übersetzt "Augenbewegung- Desensibilisierung und Neuordnung" bedeutet. EMDR ist erst 1989 von Francine Shapiro "entdeckt" worden und ist wegen seiner Wirksamkeit inzwischen eine der wichtigsten Methoden bei der Bewältigung von posttraumatischen Störungen. Aber auch bei anderen Störungsbildern kann EMDR eingesetzt werden.

Die Technik

Die verwendete Technik ist schnell beschrieben: Der Therapeut bewegt zwei Finger in einem Abstand von ca. 30-80 cm vor den Augen des Patienten horizontal hin und her. Der Patient verfolgt die Finger mit den Augen, ohne den Kopf zu drehen. Eine Bewegungs-
sequenz umfasst standardmäßig etwa 25 Hin- und Herbewegungen, es können im Einzelfall aber auch sehr viel mehr sein.

Denselben Effekt hat es, wenn der Patient über einen Kopfhörer abwechselnd links und rechts einen Ton hört oder durch eine abwechselnde Berührung der linken und rechten Extremitäten.

Wie wirkt EMDR?

Die genauen Vorgänge sind noch nicht endgültig geklärt. Es wird vermutet, dass sich durch die Augenbewegung eine Veränderung der Informationsverarbeitung im Gehirn ergibt. Beide Hirnhälften werden abwechselnd stimuliert. Ähnliches geschieht übrigens während des Träumens (REM-Schlaf). Auch hier bewegen sich die Augen in einen schnellen Rhythmus. Durch diese Veränderung ist es möglich, Zugriff auf ansonsten verborgene Gedächtnisinhalte zu bekommen. Diese können so verändert werden, dass sie ihren negativen Einfluss in der Gegenwart verlieren.

Überlastende Sinneserfahrungen

Bei einem Trauma sind die, im Moment des Traumas, auf die betroffene Person einstürzenden Sinneserfahrungen solcher Natur, dass es zu einer Überlastung der Sinnessysteme kommt. Die mit der traumatischen Erfahrung verbundenen Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen und Verhaltensmuster können aufgrund der situativen Überforderung nicht mehr auf gewohnte Weise ins Gedächtnis eingeordnet werden. Die Erfahrung wird "unverarbeitet", bzw. dysfunktional, gespeichert. Dies hat weitreichende, negative Folgen für die weitere Entwicklung der Person.

Was heißt dysfunktional?

"Dysfunktion" bezieht sich auf den tatsächlichen physischen Speicherungsprozess, sowie auf die Auswirkungen dieser Art von Speicherung. Die Speicherung von Situationen, die die Verarbeitungskapazität überfordern, erfolgt in gesonderten Netzwerken, die ohne Kontakt zu anderen mit vergleichbarem Kontext stehen. Eine überfordernde Negativerfahrung mit dem Vater wird z.B. nicht im Kontext mit sonstigen Erfahrungen mit dem Vater abgespeichert.

Da der besondere Speichermodus keine Veränderung und Auflösung ermöglicht, können diese Erfahrungen noch dieselben negativen Reaktionen auslösen, selbst wenn die betreffende Person erwachsen und unabhängig vom Vater geworden wäre.

Negative Folgen dysfunktionaler Speicherung

Dysfunktionale Speicherungen ziehen weitgehende Beeinträchtigungen für die weitere Entwicklung nach sich.

Hier seien zuerst die dominierenden negativen Selbstzuschreibungen genannt. Aussagen bzw. Überzeugungen wie: "Ich bin machtlos", "Ich bin wertlos", "Ich habe keinen Einfluss auf meine Situation". Bei Traumapatienten sind auch sog. Flashbacks (unkontrollierbar auftauchende Erinnerungsbilder) bekannt. Zum Zeitpunkt des Traumas erlebte Gefühle wiederholen sich in allen möglichen Gegenwartssituationen und verunsichern. Darüber hinaus können unverarbeitete Verhaltensmuster aus der traumatischen Erfahrung zu so genannten Reinszenisierungen führen: zu Wiederholungen von Verhaltensmustern aus der traumatisierenden Situation in Opfer-, Täter- oder Helferrolle.

Auflösung dysfunktionaler Speicherung mit EMDR

Bei der Behandlung mit Hilfe von EMDR geht es darum, das Informationsverarbeitungs-
system des Patienten zu aktivieren, so dass die dysfunktionalen Informationen neu verarbeitet und verändert in das System der sonstigen Lebenserfahrungen eingebettet werden können. Unter EMDR gelingt es, diese alten, nicht vollständig verarbeiteten Informationen neu zu integrieren und sie auch zusammen mit anderen Erfahrungen gemeinsam denken zu können.

Die verwendete Technik ist recht simpel. Am häufigsten wird die Stimulation des Gehirns durch die horizontale Bewegung von zwei Fingern vor den Augen des Patienten erreicht. Der Patient beobachtet die Finger lediglich durch die Hin- und Herbewegung seiner Augen. Während dieser ca. 25 Bewegungsfolgen dauernden Sequenzen befindet sich das Gehirn in einem beschleunigten Verarbeitungsmodus, der es ermöglicht, dass die jeweils angesprochenen dysfunktionalen Inhalte neu verarbeitet und integriert werden können.

Dysfunktionale Speicherungen ohne Vorliegen eines Traumas

Im Leben von vielen Menschen geschehen Situationen, die so geartet sind, dass die damit zusammenhängenden Sinneserfahrungen unverarbeitet im Gehirn gespeichert bleiben, auch wenn diese Erfahrung nicht den Charakter eines Traumas hat. Entscheidend für die dysfunktionale Speicherung ist die Überlastung der Sinnessysteme. Sie entsteht, wenn Sinneserfahrungen und damit verbundene Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen und Verhaltensmuster aufgrund einer situativen Überforderung nicht mehr auf gewohnte Weise ins Gedächtnis eingeordnet werden können. Wenn die Verarbeitungskapazität nicht ausreicht, die neuen Erfahrungen in bereits bestehenden Kategorien und Schemata richtig zuzuordnen oder gegebenenfalls neue zu bilden, kommt es zur dysfunktionellen Speicherung

Ein Hinweis auf das Vorliegen einer Dysfunktion ist die Tatsache, dass die Erinnerung an das betreffende Ereignis noch die gleichen negativen Selbstzuschreibungen, den gleichen Affekt und die gleichen körperlichen Empfindungen hervorruft, die die betreffende Person bereits am Tage des Geschehens selbst erlebt hatte.

Da Kinder weniger Möglichkeiten als Erwachsene haben, belastende Erfahrungen psychisch abzuwehren und zu bewältigen, geschehen die meisten dysfunktionalen Speicherungen vermutlich in der Zeit der Kindheit. Da sich belastende Kindheitserfahrungen häufig der bewussten Erinnerung des Erwachsenen entziehen, sind Dysfunktionen im Hintergrund psychischer Störungen häufig nur zu erahnen. Dysfunktionale Speicherung entzieht sich der Weiterbearbeitung durch neue Erfahrungen, bleibt also lebenslang erhalten.